Zum Inhalt springen

Wing-Tzun Vergleich zu anderen Systemen

In der postmodernen Gesellschaft ist es durch den hohen Grad der Vernetzung über die Medien, wie YouTube, Twitter, Facebook und diversen Foren. üblich sich über Systeme anderer Herkunft zu informieren. Es ist schon fast eine Pflicht, sich ausgiebig mit den Videos und Meinungen anderer Kampfkünste zu beschäftigen, zu analysieren und zu guter Letzt auch zu bewerten. Nicht ohne Grund gibt es zahlreiche Videos System x versus System y usw. Was liegt also auf der Hand, sich daraufhin eine Meinung zu bilden ? Aber wie nützlich ist diese Meinung eigentlich wirklich ?

Vergleiche führen ins Nichts

Vergleiche hinken immer und sind weder objektiv, noch geben sie Aufschluss darüber, wie gut oder schlecht ein System tatsächlich funktioniert. Wie immer kommt auf den Menschen an, auf sein Talent, seinen Ehrgeiz und seine persönliche Einstellung zu dem System, das er betreibt. Ein System ist ein theoretisches Ideal, in dem alles fundamental erklärt und logisch vermittelt wird. Sobald jedoch all die umfassenden Prinzipien und Techniken auf den Menschen übertragen werden, also vom geistig logischen zum biologisch motorischem, so entsteht ein unvermeidbarer Verlust an Wirkung und Effizienz. Ein Anfänger kann wenig, ein Fortgeschrittener etwas und ein Meister viel, aber auch nicht alles, denn ein jeder spürt, dass der Prozess nie aufhört und dass das Ziel im Grunde auch nie erreicht werden kann. Wenn also ein Vertreter gegen einen anderen Vertreter einen Vergleich anstrebt, so kann dies nie stellvertretend für die absolute Wirkungsweise des gesamten Systems stehen, das hinter den beiden Probanden steht. Jeder Aspekt ist entscheidend, der Grad des Könnens, die Physis, Tagesform, Konzentration und Erfahrung.

Jede Kunst ist vom Menschen abhängig

Darüber hinaus stehen auch menschliche Aspekte, wie Auffassungsgabe, Wahrnehmung, motorische Veran­la­gung, Kampfeswillen und Intuition. eine große Rolle. Es gewinnt/verliert immer der Mensch und nicht das System, das er vertritt. Ein Sieg kann beim 2. Vergleich auch eine Niederlage werden und umgekehrt, also hebt sich die Frage nach der ›Wahrheit‹ wieder auf welches System besser ist oder nicht. Alles im Leben unterliegt einem Prozess und innerhalb dieser Wegstrecke kann sich viel innerhalb seiner Umsetzung verändern, obwohl man weiterhin immer dem gleichen System treu bleibt. Denken ändert sich, handeln ändert sich und somit auch unsere Auffassung, wie wir unser System interpretieren. Probanden, die sich womöglich erneut 10 Jahre später messen, werden zu einem ganz anderen Ergebnis kommen, da sich die Parameter nachhaltig verändert haben.

Kritik lenkt nur von den eigenen Problemen ab

Kritiker hat Wing-Tzun mehr als genug. Aber wer hat sie nicht, jedes Produkt hat seine Kritiker und das ist ein Umstand, der manchmal neue Ideen ins Leben ruft, oder auch den eigenen Standpunkt eher verstärkt. Es ist leicht sich schnell und lückenhaft ein Bild zu verschaffen, um dann zum großen rhetorischen Rundumschlag auszuholen. Aus diesem Grund machen es auch so viele Menschen. Nach diesem Prinzip kann man alles und nichts abwerten, aber braucht trotzdem keine plausiblen und fachlich begründete Argumente ins Feld führen. Wenn ein MMA Kämpfer die Selbstverteidigungs Effizienz vom Wing-Tzun kritisiert, dann ist diese Meinung ohne Relevanz und entbehrt auch den fachlichen Bezug zum Thema. Ebenso würde ein WT-ler nicht ernsthaft die Bodenkampfstrategie eines MMA’lers in Frage stellen, weil er sein eigenes Konzept am Boden für ausge­reifter hält. Viele kennen den Unterschied zwischen Kampfkunst, Kampfsport und Selbst­verteidigung nicht. Ein System ist immer zweck­­gebunden und dient einem aus­ge­wählten Spektrum, also einer Spezialisierung. Es stellt sich auch nicht die Frage, ob die Navy Seals besser sind als Delta Force, es stellt sich die Frage, für welche Zwecke und Einsätze diese Einheiten ausge­bildet werden. Und so ist es auch in der Kampfkunst. Selbst 5x die Woche mehrere Stunden hart zu trainieren, Körper und Muskeltraining und Konditionstraining zu betreiben, vorzugsweise Sparring und Freikämpfe zu trainieren, um dann andere Systeme als unwirksam zu titulieren, ist nicht nur völlig an der Realität vorbei, es ist auch ein Ausdruck der eigenen Arroganz und Überheblichkeit. Jeder, der 20 Jahre an den Pratzen übt, sich abhärtet und nonstop auf hohem Level trainiert, kann alles Andere auf der Welt als unwirksam erklären, weil er von sich und seinem Zustand und Bewegungs­abläufen überzeugt ist. Das tun letztendlich Alle und deshalb ist es ja auch so spannend dann im direkten Vergleich zu sehen, wie sich rhetorische Überzeugung dann im Kampf Gehör verschafft. Manche verschwinden danach für immer in der Versenkung. Im Ernstfall kann jeder TOP-Athlet innerhalb von 2 Sekunden sein Augenlicht verlieren, weil er vergisst, dass in der Selbstverteidigung so viele Aspekte eine Rolle spielen, die er im Kampfsport Training nie wirklich trainiert und berücksichtigt hat.

Kritik ist oft auch die innewohnende Angst etwas zu tun, was vielleicht doch nicht so effektiv ist, wie man es glauben möchte. Es ist hinreichend bekannt, dass insbesonders Anerkennung in Form von Titeln, Urkunden, Pokalen und Wettbewerben in vielen Bereichen die größte Triebfeder ist, seinem System treu zu bleiben. Damit wird die Frage, was das System ohne diese Attribute wert wäre, und vor allem ob es tatsächlich in der Realität funktionieren würde, immer unwichtiger. Diese Dinge lenken viele Menschen vom Wesentlichen ab und beantwortet nicht die Frage der eigentlichen Sinnhaftigkeit des Systems und seinem tatsächlichen Nutzen in Bezug auf Selbstverteidigung.

Tatsachen sind wichtiger als Meinungen

Jeder möchte der Propaganda glauben, die er sich selber aussetzt und somit eine subjektive Überlegenheit erwirken, um seine Entscheidung für etwas zu rechtfertigen. Tatsache ist, dass ein jeder Mensch für gewisse ›Methoden‹ besser geeignet ist als für andere, z.B. ist Bodenkampf eine völlig andere Heraus­forderung als Tae-Kwon-Do und somit gilt es vielmehr darauf zu achten, welche angeborenen Talente und genetischen Voraus­setzungen wir für das jeweilige System mitbringen. Nicht zu vergessen was wir wirklich bei unserer Auswahl des passenden Systems einbeziehen und vor allem auch welche Angebote wir in der Nähe unseres Standorts vorfinden. Millionen Menschen kannten Bruce Lee, aber nur eine Handvoll Menschen haben von ihm gelernt, also stellt sich für den Rest der Menschheit nicht die Frage wie gut Jet-Kune-Do ist oder nicht, weil sie es schlussendlich doch nicht unterrichtet bekommen.

Gerade in Bezug auf die körperlich ausgerichteten Sportarten, ist der Verfall schon vorprogrammiert. Jede Sportart, die extrem auf Leistung aufgebaut ist, kann nur innerhalb eines zeitlichen Rahmens auf hohem Niveau ausgeübt werden. Irgendwann setzt die biologische Rückbildung ein, d.h. weniger Kraft, Beweglich­keit und Ausdauer ein, und somit reduziert sich proportional auch die Wirkungsweise des jeweiligen Systems. Von dem Grad und Häufigkeit der Verletzungsrisiken mal abgesehen, lässt im Laufe des Lebens auch die Willenskraft nach, sich non stopp diesen Strapazen auszusetzen. Nicht ohne Grund gibt es in diversen Systemen wie Tae-Kwon-do und Thai-Boxen usw. sozusagen die Selbstverteidigungsvarianten wie Hapkido oder Krabi-Krabong, die dann nach der ›Karriere‹ weiter trainiert werden können.

Jede Kultur, die sich über Jahrhunderte mit Kampfkunst auseinander­gesetzt hat, hat zu Recht einen gewissen Anspruch auf Wirksamkeit und Effizienz vorzuweisen. Alte Kampfkünste haben in der Vergangen­heit oft genug ihre Wirksamkeit unter Beweis gestellt und dies ist einerseits auch der Grund warum viele Kampfkünste trotz völlig unter­­schiedlicher Kulturen sehr starke Ähnlichkeiten in ihrer Funktionalität aufweisen und andererseits sich post moderne Systeme wie MMA usw. sich einfach dieses Know-How “ausleihen” und es werbewirksam als ein neues ultimatives System anzubieten. Die Techniken des MMA sind bereits in den Pyramiden von Gizeh bildlich verewigt.. Alles was wir heute kennen hat seinen Ursprung in der fernen Vergangen­heit. Selbst die Japaner müssen zugeben, dass Karate seinen Ursprung in China hat und dies gilt auch für andere Beispiele. So sind Tradition und Nationalstolz auch eher Hemmnisse ein System weiterzuentwickeln, als es nur zu bewahren und zu pflegen.

Alle Menschen sind gleich, nur die Künste unterscheiden uns

Tatsache ist, dass alle Menschen gleich ausgestattet sind, sowohl physiologisch (körperlich) als auch psychologisch (Wesen, Seele). Wir haben alle die gleiche Grundausstattung, Gliedmaßen, Muskeln, Gelenke, Schmerzempfinden, Reaktion, Emotion, Intuition usw. Diese Ausstattungsmerkmale sind immer an das jeweilige System gekoppelt, das wir trainieren. Je nach Talent und Auffassungs­gabe kommen uns gewisse Konzepte entgegen und andere weniger. Somit ist die Frage der Effektivität usw. nicht nur eine Frage des Kampfkunst Konzepts, sondern auch das Werkzeug (Körper), das wir zur Umsetzung benötigen. Fest steht, dass gewisse Konzepte einfach besser auf den menschlichen Körper ausgerichtet sind, ergo die Merkmale wie Statik, Anpassungsfähigkeit, Gelenkkraft, Körperenergie wesentlich besser einsetzt und diese physikalischen Gegebenheiten ohne großen Verlust umsetzt.

Wing-Tzun bedient sich nicht so sehr mit der Frage der Fitness, Muskelmasse oder der Kondition, sondern vielmehr mit der Frage, wie man mit den eigenen und den gegnerischen Kräften umgeht, sie aufnimmt, taktil interpretiert und somit intuitive Entscheidungen trifft, um die gegnerische Energie zu seinen eigenen Zwecken auszunutzen. Der eigenen Aufwand ist im Verhältnis zu den Erfolgsaussichten sehr gering und somit auch sehr erfolg­ver­sprechend, da die Fehlerquote in den unterbewussten Entscheidungs­prozessen sehr gering ist. Das Szenario bestimmt die Wirkungsweise des jeweiligen Systems. Wing-Tzun ist kein Sport und Wing-Tzun ist kein Wettbewerbs Vergleichskampf, dass nach Regeln (Einschränkungen) und zeitlich vorgebenden Rahmen­­be­dingungen zu funktionieren hat. Wing-Tzun ist pure Selbstverteidigung in seiner reinsten Form und lässt sich unein­geschränkt unter allen Bedingungen ausführen. Kein MMA-Kämpfer wird im Strassenkampf den Boden­kampf suchen, kein Tae-Kwon-Do Mann wird in der vollen U-Bahn einen hohen Tritt ansetzen, kein Judoka, wird in der Telefonzelle einen Wurf versuchen und im Sinne von Verhältnis­mässigkeit wird auch im Rahmen der Selbstverteidigung nicht ein voll durchgezogener Haken oder Low-Kick die richtige Wahl sein, um sich zu schützen. Wing-Tzun kämpft nicht, Wing-Tzun verteidigt sich konsequent und schnell, zwei völlig unter­schiedliche Auffassungen über körperliche Auseinander­setzungen.

Die Qualität des Wing-Tzun ist die Logik, die Intelligenz, die Ökonomie, die Zeitlosigkeit, die Bandbreite aller Einsatzmöglichkeiten und die Entdeckung ungeahnter Kräfte, die in jedem Menschen vorhanden sind. Diese Erfahrung unabhängig vom Alter zu machen ist etwas Besonderes und ein Leben lang auch Motivation nach Vervollkommnung zu streben.


Sifu Andree Toussaint