Zum Inhalt springen

Kritische Betrachtung zum Thema Vermarktung des Wing-Tzun in Deutschland

Traditionell gehört Wing-Tzun zur Kategegorie der chinesischen Kampfkünste. Damit verbunden sind auch kulturelle Begleiterscheinungen wie z.B. der Konfuzianismus, Taoismus, Buddhismus. Somit steht die Kampfkunst auch in direkter Verbindung mit philosophischen Grundsätzen, wie Verhalten, Sinnhaftigkeit, Tugenden uvm. Darüber hinaus steht Wing-Tzun auch für Werte,  die sie nicht nur auf die eigentliche Kunst der Selbst­­verteidigung beziehen, sondern auch auf die Entwicklung der Persönlichkeit und des mensch­lichen Konfliktverhaltens im täglichen Leben an sich.

Durch den Einzug in die europäische Kultur, vorzugsweise durch Kung-Fu Filme in den 70’igern Jahren, wurde diese Kunst peu á peu zu einem kommerziellen Produkt umgewandelt. Denn selbst die Produktion von Kinofilmen sind an sich schon kommerziell begründet.  Die Nachfrage der Menschen nach dieser Kunst und ihr damit einhergehender Mythos, haben den Weg zur flächen­deckenden Vermarktung chinesischer Kampfkünste beigetragen. So wurden u.a. Monopole gebildet, also Organisationen mit  einzelnen Führungs­personen, die sich damit rühmen eine Art Auserwählter zu sein, die entweder das Original System beherrschen, natürlich immer das komplette System kennen und nicht zu vergessen, auch alle Geheim­techniken. Optimaler Weise wird dann auch noch eine Lineage ins Feld geführt, d.h. einen Stammbaum, der die Seriosität unterstricht aus direkter Linie eines asiatischen Groß­meisters gelernt zu haben. Dieses argumentative Fundament dient dann eben auch dazu, wie es bei Monopolen oft üblich ist, Menschen an ein organi­sa­torisches Konstrukt zu binden, das alles vorgibt, Ausbildungsstufen, Gradu­ie­rungen, Titel, Gebietsschutz uvm. Auf jeden Fall immer bezogen auf die alleinige Person, die die Organisation führt, die folgerichtig ebenso die Preise festlegt, die Gebiete über Gebühren reservieren läßt und sogar Gebühren für einzelne Länder erhebt, in denen dann nur ausgewählte Lehrer die Kunst unterrichten dürfen, vorausgesetzt sie zahlen püntklich dafür. Betrachtet man im Allgemeinen die Werbung dieser Organisationen und deren Vertreter, so ist leicht die sich wiederholende Machart zu erkennen, sie baut strukturell und argumentativ immer nach gleichen Modellen auf. Die unange­nehmste Version ist dann der Personenkult, ein Allein­stellungs­merkmal aller Organisationen, die nur dem Begründer dienen.

Niemand, innerhalb solcher Organisationen, kann sich diesen Auflagen entziehen und viel weniger noch den willkürlichen Änderungen und Veränderungen der Ausbildung an sich. Was gestern noch top aktuell war, ist morgen ein alter Hut und muß erst durch kostspielige Auffrischungs­lehrgänge aktualisiert werden. Damit das Klientel im Sinne des Zeitgeist am Ball bleibt, wird die Kunst technisch und marketing­mäßig so aufbereitet, dass sie massenkompatibel ist und eher der Freizeit­­gestaltung dient, als ihrem eigentlich Zweck. Somit entfernt sich das Wesen und der Nutzen der Kampfkunst Wing-Tzun von ihrem eigentlich Ursprung und wird nur nach Marketing strate­gischen Gesichts­punkten aufgebaut. Die Kunst dient nur der flächen­deckenden Verbreitung und somit der Gewinn­­maximierung.

Die Quelle (Oberhaupt) entfernt sich jedoch immer mehr von seinen Schülern. Die Menge an Mitgliedern läßt es nicht mehr zu, dass der Transfer von Wissen im direkten Kontakt zwischen Lehrer und Schüler steht. Ein großer Lehrgang in einer Turnhalle läßt einen persönlichen und somit direkten Kontakt fast gar nicht mehr zu, wenn überhaupt nur wenige Minuten, somit kann der Input dementsprechend auch nur geringfügig sein. Ersatzweise unterstützt ein Ausbilder die Aufgaben des Oberhaupts, aber das ist letz­endlich auch ein Verlust an Qualität und somit eine Schwächung des Lern­prozesses. Wenn man dann noch Begrüssung, Ansprache, Verteilung von Urkunden und Fototermine abrechnet, dann bleibt selbst vom Lehrgang an sich nicht mehr viel übrig.

Ebenso ist die Verbreitung von sogenannten Lern DVS’s und anderen medial strukturiert aufgebauten Lerntools nur ein Zweig, um eben diese Methode der Kommerzialisierung auf eine weiteres Feld zu übertragen. Manche Absichten sind dabei tatsächlich honorig, die meisten jedoch nur eine Methode um schlicht und einfach Geld zu verdienen, nicht mehr und nicht weniger. Interessanter Weise wird ja auch die Idee der wahren Lehre gleich mitverkauft, man kennt das ja leider schon bei religiösen Gruppierungen und vielmehr noch eine Psudo Kompetenz, die schlichtweg nur eine schlechte Kopie von dem ist, was vom Original gelernt wurde. Davon mal abgesehen, daß insbesondere Wing-Tzun als taktile Kampf­kunst, sich im Grunde nicht visuell erlernen läßt, so sind Videos niemals Ersatz für das persönliche Training unter der Anleitung eines Lehrers. So oder so läßt sich feststellend sagen, dass es immer einen Vorreiter gibt und somit eben auch Gefolgs­schaften, meistens ehemalige Mitglieder der größten Organi­sation, und dann alle Konzepte lediglich auf die eigene neue Organisation übertragen. Mit anderen Worten, man klaut und kopiert sich das Know-How und hofft ebenso reich und bekannt zu werden, wie der eigene (frühere) Lehrer, der ja letzendlich dafür eine Paradebeispiel ist. Die subjektiv gefärbte Selbst­sicherheit und damit verbundene Selbst­überschätzung wird dann auch gleich mit übernommen. Im schlimmsten Fall weht dann auch der Hauch von Sektentum in den Schulen gleich mit.

Die westliche Denkweise, also die Frage wofür es sich lohnt Leistung zu erbringen, ist meistens eben auf Geld und Anerkennung ausgerichtet. Der Volksmund sagt, Geld verdirbt den Charakter, oder im chinesischen Sinne, Geld holt die guten oder die schlechten Eigenschaften aus dir hervor, so ist es eine Frage des Charakters welche innewohnende Gründe wirklich dazu führen eine Kampfkunst wie Wing-Tzun zu verbreiten.

Wing-Tzun ist eine besondere Kampfkunst, sicherlich auf dem Gebiet des Nahkampfs die intelligenteste und ausgeklügelste Methode der Selbstverteidigung und somit auch etwas sehr Besonderes. Kommerz sucht immer nur den gemeinsamen Nenner und Normierungen, siehe McDonalds, damit die ‘Marke’ flächendeckend bekannt wird, aber das Produkt an sich bleibt weiterhin ‘ungesund’.

Es ist völlig legitim mit Wing-Tzun seinen Unterhalt zu verdienen, auch ich tue dies, aber meine innere Ausrichtung geht dabei nicht verloren, diese Kunst immer auf direktem Wege unverfälscht an meine Schüler weiter zu vermitteln und den Wert der Kunst mit Dank und Respekt hoch zu halten. Ich betrachte das eigenen Ansehen als höheres Gut und bin lieber ein würdiger Repräsentant einer Kunst und messe mein Handeln mit dem Respekt und Hochachtung, den mir alle entgegenbringen, die von mir unterrichtet werden.